Der 18. Januar 1871 gilt als einer der wichtigsten Tage der jüngeren deutschen Geschichte. Knapp ein halbes Jahr zuvor hatte Frankreich Preußen den Krieg erklärt, damit ein Bündnis deutscher Fürsten gegen sich aufgebracht und den letzten nötigen Anstoß für die Gründung des Deutschen Reichs gegeben. Nach dem Sieg der deutschen über die französischen Truppen wurde der Gründungsfestakt an eben jenem Tag im Spiegelsaal des Schlosses Versailles begangen. Zum ersten Kaiser machte man den bis dahin in Preußen regierenden Wilhelm I. Aus dem zuvor losen Bund unabhängiger Fürstentümer wurde dadurch der erste geeinte Nationalstaat auf deutschem Boden.
Der Tragweite dieser Entwicklung war man sich im Reich unmittelbar bewusst und liebäugelte schon Ende 1870 mit der Errichtung eines Denkmals, das an den Sieg über Frankreich und die neu gefundene Einheit erinnert sollte. Als möglicher Standort wurde von Anfang an das Rhein-Ufer gehandelt, weil der Fluss in der deutschen Geschichte und Kultur immer eine zentrale Rolle gespielt hatte – nicht zuletzt auch als zeitweilige Grenze zum Konkurrenten Frankreich, der knapp 80 Jahre zuvor die gesamten Gebiete am linken Rheinufer eroberte. Nach kurzer Diskussion fiel die Wahl im Frühjahr 1871 auf Niederwald bei Rüdesheim.
Die herausragende Figur des Niederwalddenkmals ist die Germania. Die seit der Antike als Symbol für die germanischen Völker stehende Personifikation steht auf dem oberen Sockel des Denkmals.
» Die Germania
Unter dem Hauptrelief mit der Darstellung Wilhelms I. zwischen den deutschen Fürsten hat man den Text des Liedes “Die Wacht am Rhein” in Stein gemeißelt.
» Die Wacht am Rhein
Planung und Grundsteinlegung
Mit den Planungen wurde umgehend begonnen, wobei die Finanzierung über Spendensammlungen unter der Bevölkerung gesichert werden sollte. Erste Probleme gab es allerdings schon bei der Wahl eines Motivs. Ein 1872 abgehaltener Künstlerwettbewerb lieferte keinen ausreichend guten Entwurf. Erst im zweiten, kurz darauf abgehaltenen Anlauf konnte der Bildhauer Johannes Schilling mit seiner Idee überzeugen. Die Grundsteinlegung erfolgte aufgrund diverser Probleme dennoch erst 1877 und leitete eine sechsjährige Bauphase ein. In dieser Zeit wurde das insgesamt 38,18 Meter hohe und 75 Tonnen wiegende Denkmal errichtet, das von einer 12,5 Meter hohen Germania-Statue gekrönt wird. Die Kosten des Baus beliefen sich auf mehr als eine Million Goldmark, konnten aber anders als geplant nicht vollständig aus Spenden finanziert werden. Einen Teil der Summe musste deshalb das Reich zuschießen.
Einweihung mit Pannen
Die Einweihungsfeier wurde am 28. September 1883 abgehalten und blieb nicht ohne Pannen. Anarchisten hatten einen Sprengstoffanschlag auf Kaiser Wilhelm I. geplant, der bei den Feierlichkeiten eine Rede halten wollte. Das Attentat schlug allerdings wegen feucht gewordener Zünder fehl. Seine Rede konnte der erste Regent des geeinten Deutschen Reichs dennoch nicht ungestört zu Ende führen. Die letzten Sätze gingen im Donner von Salutschüssen unter, die aufgrund eines falsch verstandenen Handzeichens zu früh abgefeuert wurden. Die letzten Worte der Rede hat man deshalb nachträglich in den Denkmalsockel gemeißelt und so für die Nachwelt erhalten. Schon in den folgenden Jahren entwickelte sich das Niederwalddenkmal zu einem der wichtigsten Touristenziele der Region und hat bis heute nichts von seiner Anziehungskraft verloren.