Die herausragende Figur des Niederwalddenkmals ist die Germania – und das ist buchstäblich gemeint. Die seit der Antike als Symbol für die germanischen Völker, später für den deutschen Sprachraum stehende Personifikation misst in der Höhe 12,5 Meter und steht auf dem oberen Sockel des Denkmals. Auffällig ist vor allem die Kaiserkrone, die sie in ihrer rechten Hand hält. Die Linke ruht hingegen auf einem auf den Boden gestellten Schwert.
Triumph des Volkes oder der Fürsten?
Wie diese Haltung gedeutet werden muss, ist umstritten. Nach der Idee des für den Entwurf verantwortlichen Bildhauers Johannes Schilling soll die Germania gerade im Begriff sein, sich selbst zu krönen. Damit hätte Schilling das Volk zum großen Gewinner des Deutsch-Französischen Krieges erklärt, das die ersehnte Einheit erlangt hat. Zeitgenossen favorisierten allerdings eine andere Interpretation, der zufolge die Germania gerade auf der Suche nach einem geeigneten Regenten ist, der zum Kaiser gekrönt werden soll. Diesen fand man in Wilhelm I., der als zentrale Figur im Hauptrelief zu den Füßen der Germania-Figur zu sehen ist. Diese Interpretation lenkt den Blick eher auf die neuen Herrschaftsverhältnisse im geeinten Deutschen Reich.
Das aufgestellte Schwert gibt weniger Spielraum für Spekulation. Da die Klinge von einem Lorbeerzweig umwunden ist, was man schon im Römischen Reich als Zeichen des Sieges verstand, soll dies den Triumph der Deutschen zeigen – zum einen über den französischen Gegner und zum anderen über die in den Jahrhunderten davor scheinbar unüberwindbare Zersplitterung des Landes.
Die Germania: Versinnbildlichung der deutschen Kultur
Die Bekleidung der Germania ist gespickt mit als für die deutsche Kultur typisch geltenden Symbolen. Auf dem Kopf trägt sie einen Kranz aus Eichenlaub, während das Gewand mit typischen Tieren aus der Mythen- und Sagenwelt geschmückt ist. Zu sehen sind unter anderem Adler, Hirsche, Raben und Drachen. Auf der Brust trägt sie darüber hinaus den Reichsadler als unverkennbares Zeichen des Deutschen Reichs. Auch wenn die Germania eine mythische Figur ist, hatte Schilling bei seinem Entwurf übrigens ein ganz reales Vorbild – seine Tochter Clara stand ihm bei seiner Arbeit Modell.